Ehrenpflegas – Kritik einer Pflegebedürftigen

Bildhinweis: das Beitragsbild ist ein Symbolbild. Es stammt von Gesellschaftsbilder.de (Fotograf Alexander Gehring). Es hat in keinster Weise Zusammenhang mit der angesprochenen Serie.

Immer weniger Schulabgänger*innen entscheiden sich für eine Ausbildung oder ein Studium im Bereich der Pflege. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Bekämpfung des daraus resultierenden Pflegekräftemangels ist kreativ. Die neue Mini-Serie „Ehrenpflegas“ soll junge Leute für die Ausbildung in der Pflege begeistern. Als Pflegebedürftige habe ich meine ganz eigene Meinung zu dieser Serie, die ich hier kundtun möchte:

Ehre der Pflege

Gerade jetzt während der Corona-Pandemie erlebt die Welt wie wichtig es ist, gut ausgebildetes oder studiertes Pflegefachpersonal zu haben. Sie werden bezeichnet als „Helden der Krise“, man klatscht auf den Balkonen und eine Klinik pflanzt einen Lavendelstrauch zum Dank.

Was eine Ehre, dass diese Menschen, die hier mit Dankesgesten verhöhnt werden, trotz schlechter Bezahlung, widrigen Arbeitsbedingungen und Überlastung wegen Personalmangels immer noch für uns da sind, wenn wir kurzfristig aufgrund einer Erkrankung (z.B. Corona) oder dauerhaft auf deren Hilfe angewiesen sind. Wegen diesen schlechten Umständen verlassen viele Fachkräfte das Feld, niemand muss sich von einem System ausbeuten lassen, in dem es keine Aussicht auf Besserung gibt. Nicht einmal die, denen man eine „Berufung“ nachsagen würde.

Wer glaubt, es spricht sich nicht herum, wie die Zustände in den Heimen, den Krankenhäusern und der ambulanten Pflege sind, der liegt falsch. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Ausbildung in der Pflege immer weniger Teilnehmende und Absolventen hat.

Ehrenpflegas – Kampagne ohne Inhalt

Wer sich die Mini-Serie des Bundesfamilienministeriums mit der Hoffnung auf Einblicke in eine wertvolle, fachlich fundierte und begeisternde Ausbildung angesehen hat, wird brutal enttäuscht. Die drei Hauptprotagonisten geben nicht ansatzweise einen Einblick in die Ausbildung, sie erleben in den durchschnittlich, 5 Minuten pro Folge, völlig zusammenhanglose Ereignisse die in den meisten Fällen nichts mit der Arbeit in der Pflege (ungeachtet ob Pflegeheim oder Krankenhaus) zu tun haben. Müsste ich eine Zusammenfassung über den Inhalt schreiben, so wäre es mir nicht möglich, den roten Faden zusammenzufassen, denn dieser erschließt sich mir nicht.

Die drei gewählten Protagonisten passen für mich in keinster Weise in den Pflegeberuf. Sicher möchte ich niemandem aufgrund seiner Art und Weise die Fähigkeit als Pflegefachkraft absprechen aber die im Drehbuch vorgesehenen Handlungsweisen habe ich bisher bei keiner einzigen, der unzähligen Fachkräfte, die mir bisher in meinem Leben begegnet sind gesehen. Als Arbeitgeberin in der persönlichen Assistenz (auch Pflege) würde ich mir auch gut überlegen, ob ich eine Person einstelle, die in ihrer Freizeit (auch direkt in der Nacht vor dem Schultag oder der Arbeit im Pflegeheim) harte Partys feiert oder sich auf dem Gelände des Pflegeheims mit jemandem schlägt.

Ziel der Serie war wohl, die Arbeit in der Pflege im Stil von „FuckYouGoethe“ attraktiv zu machen. Theoretisch ein Versuch wert, die Art und Weise wie dieser Film gemacht wurde, sprach eine große Zielgruppe positiv an. Es bleibt nur die Frage, ob diese Zielgruppe die richtige für den Pflegeberuf ist und ob bisher vorhandenes Fachpersonal sich durch diese Serie nicht eher deprofessionalisiert sieht. Das ist nämlich, was die Serie macht … Die Pflege darstellen, als ob sie lediglich aus Essen einreichen (füttern) und Hintern abwischen bestehen würde. Seit Jahren setzen sich die Aktivisten unter den Pflegefachkräften dafür ein, dass auch in der Gesellschaft und der Politik ankommt, dass Pflege viel mehr ist als das.

Auch bleibt die Frage, ob es Sinn macht, mit einer albernen, unrealistischen Serie einen Beruf zu pushen, der wegen genau der dargestellten Klischees und wegen der schlechten Bezahlung unattraktiv ist. Macht es nicht viel mehr Sinn, den Stier bei den Hörnern zu packen und die Ausbildung und die Arbeit in der Pflege auf links zu drehen? Vielleicht mit fairer Bezahlung, familienfreundlicheren Arbeitsmodellen und ohne verhöhnenden Lavendel auf dem Klinikgelände?

Mein Kommentar

Als pflegebedürftige Person macht mir die Darstellung der Pflege in der genannten Serie große Bedenken, nicht nur weil die kurzen Sequenzen, die mit Senioren gedreht wurden lediglich mit Stoff-Mund-Nasen-Maske gedreht wurden, was unter Umständen ein verstecktes Geständnis dafür sein kann, dass die ganzen, von der Regierung bestellten Schutzmaterialien niemals in den Einrichtungen angekommen sind aber auch von der Unverantwortlichkeit der Macher der Serie zeugen könnte. Da in der Serie die Corona-Pandemie kurzzeitig angesprochen wird, ist davon auszugehen, dass die Szenerie nicht schon vor ein bis zwei Jahren gedreht wurde, sondern während der Pandemie. In diesem Fall sehe ich die eingesetzten Senioren in der Serie durch mangelnde Schutzmaßnahmen gefährdet und kritisiere das aufs schärfste.

Mal abgesehen davon, dass während der Dreharbeiten unverantwortlich gehandelt wurde, hat die Serie auch in vielerlei Hinsicht auf meine persönliche Pflegesituation Auswirkungen. Klar werde ich dann bei der nächsten Stellenausschreibung mehr Bewerber*innen (mit Glück) verzeichnen können, ob die Qualifikation der Leute, die sich bei mir bewerben dann stimmt, steht wohl auf einem anderen Papier. Nicht nur, weil aus der Serie nicht hervorgeht, ob die absolvierte Ausbildung der Protagonisten die Ausbildung zur Pflegefachkraft (mit Examen) ist oder ob es sich um die einjährige Ausbildung zum/zur Pflegehelfer/Pflegehelferin handelt. Die dargestellten Inhalte der Serie würden für mich nicht einmal für einen Volkshochschulkurs reichen. Statt einer guten Ausbildung zeigt die Serie, dass man während der Ausbildung zum Pflegefachkraft Saufpartys feiern kann, nachts auf dem Gelände eines Pflegeheims randalieren kann und dass man trotzdem die Prüfung besteht.

(Ironie on) Herzlichen Glückwunsch, genau solches Personal brauchen in der Pflege. Ich bin begeistert. (Ironie off)

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