Was ist passiert?
Anfang September 2019 fuhr in der Berliner Invalidenstraße ein Auto mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in eine Menschenmenge. Dabei kam ein Kind, zwei Touristen und eine ältere Dame ums Leben. Über einen Monat hat es jetzt gedauert, bis die Ermittlungen zur Unfallursache Ergebnisse zutage fördern konnten. Ein epileptischer Anfall soll den Unfall verursacht haben, so der RBB.
Autofahren mit Epilepsie, aktuelle Regelungen:
Über die Fahrtauglichkeit bei Epilepsie entscheidet hauptsächlich der behandelnde Neurologe. Er kann eine Fahrerlaubnis oder ein Fahrverbot aussprechen. An diese Anweisung muss sich der Betroffene halten, andernfalls hat der Arzt die Möglichkeit, das Vergehen der Verkehrsbehörde zu melden. Dann greifen entsprechende Maßnahmen aus dem deutschen Bußgeldkatalog.
Neben der Entscheidung des Neurologen gibt es aber auch noch allgemeine Regelungen, welche zusätzlich zur ärztlichen Anordnung greifen. Alle Regelungen findet man ausführlich im Bußgeldkatalog.
Grundsätzlich ist es erlaubt, als Epileptiker Auto zu fahren. Wenn keine Personen befördert werden sollen, dann ab einem Jahr Anfallsfreiheit.
Sollen Personen befördert werden, muss eine fünfjährige Anfallsfreiheit vorliegen.
Jetzt verlagert sich die Debatte:
Als die Unfallursache unbekannt war debattierte man über Fahrverbote für SUV in deutschen Innenstädten. Mit der Bekanntgabe der Unfallursache begann schon in den Kommentaren unter dem Artikel des RBB auf dessen Webseite (RBB24.de) die Debatte, ob diagnostizierte Epileptiker überhaupt Auto fahren sollten. Einige Stimmen fordern den Entzug der Fahrerlaubnis bei Diagnosestellung. Andere fordern mehr Selbstachtung und Selbstverantwortung. Meiner Einschätzung zufolge wird es nicht mehr lange dauern, bis auch die Politik sich in die Debatte einschalten wird.
Mein Kommentar:
Einen generellen Entzug der Fahrerlaubnis bei diagnostizierten Epileptikern, einfach nur, weil sie einen Anfall bekommen könnten, halte ich für diskriminierend und für einen Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Dieser zufolge sind auch Menschen mit Erkrankungen wie Epilepsie mit den gleichen Rechten ausgestattet, wie jemand ohne Diagnose. Somit sollen auch Diagnostizierte die Möglichkeit haben einen Führerschein zu besitzen. Wer generell gegen die Fahrerlaubnis bei Epilepsie argumentiert, der hat die Gefahr durch die Erkrankung erkannt. Gleichzeitig muss er aber auch Menschen die Fahrerlaubnis entziehen wollen, die in ihrem Leben schon einmal einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erlitten haben, denn diese tragen auch ein erhöhtes Wiederholungsrisiko.
Aber es ist trotzdem wichtig, dass ein Mensch mit der Diagnose Epilepsie seinen Körper kennt. Manche Betroffenen aus meiner Community berichten davon, dass man, wenn man seinen Körper kennt und Glück hat, einen Anfall vorher „ahnen oder spüren“ kann. Dies ist jedoch nicht bei jedem so. Krankheiten sind unterschiedlich, auch wenn sie sich ähnlich äußern. Aktuell gibt es schon gewisse Regelungen, welche das Autofahren mit der Diagnose Epilepsie betreffen, meiner Meinung nach sind diese ausreichend und schützen den allgemeinen Straßenverkehr in angemessenem Maße.
Um noch einmal auf den Unfall zurückzukommen, ich halte es für unangebracht, dem Fahrer des Wagens „fahrlässige Tötung“ vorzuwerfen. Es gibt bisher keine Aussagen über sein Anfallsverhalten und aus Datenschutzgründen ist glücklicherweise auch die Patientenakte verschlossen geblieben. Dies soll auch so bleiben, der gesundheitliche Zustand ist immer Sache des Betroffenen und der Ärzte. Bis dato ist nicht bekannt, ob der behandelnde Arzt Fahrverbot oder Fahrerlaubnis ausgesprochen hat. Doch grundsätzlich kann auch ein Anfall auftreten, wenn der Arzt eine Fahrerlaubnis ausgesprochen hätte.