E-Roller: Sinnvolles Hilfsmittel oder unnötige Stolperfalle?

Seit einigen Tagen stehen in den Großstädten überall Roller mit Elektroantrieb in den Ecken und auf den Bürgersteigen. Über eine App ist es möglich, eines diese Fahrzeuge zu mieten, um damit durch die Stadt zu fahren. Egal ob zum Sightseeing, zur Arbeit oder auf dem Nachhauseweg, die elektrischen Gefährte sollen das Leben in der Stadt bequemer machen. Was bedeutet jedoch die Existenz von E-Rollern für Menschen mit Einschränkungen? Dienen sie wirklich nur als Erleichterung auf dem Weg zwischen U-Bahnhof und Wohnung oder sind Unfälle vorprogrammiert?

Es könnte alles so schön sein, ein Gehbehinderter verlässt den U-Bahnhof, mietet sich einen E-Roller und fährt innerhalb kürzester Zeit mit 30 km/h auf dem Bürgersteig zu seiner Wohnung. Für einen Weg, den er normalerweise in 20 Minuten bewältigt hätte, braucht er jetzt höchstens 5. Da würde ich doch direkt sagen 1 A Hilfsmittel. Zumindest wenn man es ausschließlich aus diesem Blickwinkel betrachtet. Sieht man die Gefahr eines Sturzes und die daraus resultierenden Verletzungen bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h, meist ohne Schutzbekleidung (Helm etc.) sieht das Ganze schon wieder anders aus. Gerade wenn ein Mensch schon physische Einschränkungen hat, ist es wichtig, dass Hilfsmittel ausgiebig erprobt werden und die Einweisung in deren Nutzung ausführlich ist. Bei Elektrorollern, die über eine App gemietet werden, ist dies nicht der Fall. Die Einweisung ist meist, wenn überhaupt in Schriftform über die App abrufbar. Ganz ehrlich, wer liest das eigentlich? Einfach draufstehen und los, so kommt es mir vor, wenn ich den Fahrstil aller Nutzer betrachte. Diese Aussage bezieht sich nun natürlich nicht ausschließlich auf eingeschränkte Menschen die ein angebotenes Gefährt dieser Art als Hilfsmittel betrachten, sondern auch auf die hauptsächliche Nutzergruppe, den menschlichen Faulpelz.

Wenn wir aber in diesem Fall schon über Hilfsmittel sprechen … Warum darf jeder x-beliebige Faulpelz mit 30 km/h über den Bürgersteig fahren und wir Elektrorollstuhlfahrer bekommen „aus Sicherheitsgründen“ grundsätzlich nur 6 km/h, obwohl er 24 Stunden am Tag auf das Gerät angewiesen ist und unter Umständen auch Termine hat? Nur so als Gedankenexperiment für zwischendurch.

So, jetzt haben wir diese zusätzliche Stolperfalle aber genug gelobt. Nervt es euch nicht auch? Auf jedem Bürgersteig steht plötzlich mitten im Weg eine orange Schranke. Diese wird jedoch nicht von der Stadtverwaltung geöffnet, nein sie steht einfach nur da und wartet, dass sie mit der App entsperrt und weggefahren wird. Warum sollte ich, um mir den Gehweg frei zu räumen einen Roller mieten, den ich nicht brauche und dafür auch noch Geld bezahlen, nur weil ich diesen Bordstein benutzen möchte …

Glücklicherweise kann ich die Dinger wenigstens sehen. Stellt euch mal vor, ihr lauft blind durch die Stadt, egal ob ihr aus gesundheitlichen Gründen erblindet seid oder wegen einer Mutprobe mit verbundenen Augen von Zehlendorf nach Hohenschönhausen wandert. Ihr rechnet nicht mit einer plötzlichen Stolperfalle. Zumal dieses Teil nicht einmal ein Geräusch von sich gibt.

Viel haben wir in dieser kurzen Zeit schon über Unfälle mit E-Rollern gelesen. Täglich kommen neue Schlagzeilen hinzu und meist handelt es sich um äußerst schwere Verletzungen. Beim Fahrradfahren gilt die Helmpflicht, beim Roller fahren nicht. Warum? Aufgrund des unterstützenden Motors ist es aktuell möglich mit derselben oder sogar höheren Geschwindigkeit als mit einem Fahrrad durch die Stadt zu fahren.

Lasst uns mal Klartext sprechen: Ist es wirklich notwendig, dass noch ein weiteres Gefährt zur Verfügung steht als Auto, Fahrrad und Beine? Warum würdigt ihr nicht, dass ihr 2 gesunde Beine habt, und genießt den Spaziergang vom Bahnhof nach Hause? Natürlich muss alles immer schneller gehen, aber ist das noch gesund? Bringen wir nicht viel mehr uns und unsere Mitmenschen in Gefahr, wenn noch weitere, so gut wie lautlose Gefährdungsobjekte für Menschen mit Sehbehinderungen auf unseren Gehwegen unterwegs sind? Und mal noch einen ganz anderen Gesichtspunkt anzusprechen, wer von euch Faulpelzen ist gerade mal wieder in eine Abnehmphase? Egal ob über eine App, Fitnessprogramme oder sogar operative Maßnahmen, wenn du dich jetzt erwischt fühlst solltest du nachdenken: Verbrenne ich wirklich ausreichend Kalorien, wenn ich ein Elektroroller benutze? Ist das gesünder als Auto fahren? Wie viele Kalorien verbrenne ich, wenn ich die Strecke laufen würde? Bräuchte ich dann überhaupt noch mir darüber Gedanken zu machen, was ich esse, wie viel ich esse und mit welchen Mitteln ich meine Kalorien wieder von den Hüften runter bekomme? Krankhaftes Übergewicht wird viel mehr zur Volkskrankheit. Immer weitere Gefährte, die uns quasi die Arbeit abnehmen sind mit Schuld an der Misere. Natürlich gibt es auch Umstände, welche Übergewicht unvermeidlich machen, wie gewisse Medikamente oder Erkrankungen. Viele jedoch leiden an Übergewicht aufgrund von mangelnder Bewegung oder aufgrund von unangemessenen Essgewohnheiten. Wir bräuchten seltener ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir mal ein Stück Schokolade essen, wenn wir es uns nicht ständig so bequem machen würden. Wenn der innere Faulpelz auch mal zwischendurch schweigt und sich nicht in unser Tun und Handeln einmischt.

So viele Fragen im letzten Absatz, jetzt erst mal einen Keks zum Nachdenken und dann ein Spaziergang durch die Stadt oder aufs Land. Vielleicht stolpert ihr ja dann auch über eine unnatürliche Schranke in orange. Widersteht dem Drang und lauft daran vorbei.

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