Erkenne deine Grenzen – Nutze sie.

Jeder Mensch, egal ob mit oder ohne Handicap hat Grenzen. Diese können in den geistigen, sowohl als auch in den physischen Bereichen liegen. Äußern werden sie sich in verschiedenster Art, von Muskelschmerzen über Atemnot, bis hin zur mentalen Überforderung ist alles möglich. Diese Grenzen bedeuten jedoch nicht immer das komplette Versagen, manchmal ist es notwendig persönliche Grenzen zu erkennen und für sich zu nutzen.

Offensichtliche Grenzen – Mein Körper

Nach 22 Jahren Leben mit fortschreitender Erkrankung des Nervensystems ist es offensichtlich, viele meiner Grenzen liegen im physischen. Die Nerven bauen sich ab, die Muskeln werden weniger und Gelenke verändern sich. Es ist klar, ich werde nicht zu Fuß eine Wanderung machen, ich werde nicht Turmspringer und schon gar nicht Taucher. Vom Heben schwerer Lasten als Mitarbeiter im Lager oder vom ordentlichen Putzen der Fenster der Elbphilharmonie in Hamburg brauchen wir gar nicht sprechen. Dies sind die natürlichen Grenzen meines Körpers.

Wenn man mich fragt, wie sehr die Einschränkungen mein Leben gelenkt haben, antworte ich, dass diese Einschränkungen schon bei der Wahl meiner Ausbildung grundsätzlich eine große Rolle gespielt haben. Von einer Karriere im Lager habe ich zwar nie geträumt, als Mensch mit körperlicher Einschränkung wäre es aber eine Option gewesen. Um nicht hoffnungslos von irgendwelchen Kostenträgern in eine, unter Umständen korrupte Behindertenwerkstatt gesteckt zu werden, musste ich mir aufgrund der Ausprägung meiner Einschränkungen jedoch gehörig etwas einfallen lassen. Kaum ein Mensch würde direkt nach dem Abitur auf die Idee kommen, sich selbstständig zu machen. Dass ich mit Worten ganz gut umgehen kann, ist mir persönlich schon recht früh aufgefallen. Dass meine spätere Berufswahl jedoch mit diesem Können zusammenhängen wird, war mir selbst kurz vor dem Abitur noch nicht bewusst. Ich glaube, wenn ich nicht die vorhandenen Einschränkungen hinnehmen müsste, hätte ich mich nie für eine Ausbildung im Medienbereich entschieden. Was wollte ich nicht in meiner Kindheit alles werden, Innenarchitekt, Tierarzt und vieles mehr stand auf meiner Liste. Von diesen Gedanken musste ich Abstand nehmen, ein Innenarchitekt im Rollstuhl ist für mich unvorstellbar, das Ausbauen von alten, nicht barrierefreien Häusern wäre ja schon mal kategorisch ausgeschlossen. Und Tierarzt … Wenn ich nicht einmal mein Essen selbst mit dem Messer schneiden kann … Wie soll ich denn dann einen Hund operieren?

Hiermit attestierte ich mir selbst die Unbrauchbarkeit meines Körpers im Beruf. Er lässt sich lediglich als Wiedererkennungsmerkmal einsetzen. Solche Merkmale können im Medienbusiness durchaus gefragt sein. Wollen wir doch mal sehen, wo meine Reise im Business hingeht, da seit bestimmt nicht nur ihr gespannt. 😉

Mentale Grenzen

Selbst wenn jemand keine sichtbaren Einschränkungen körperlicherseits hat, so ist es Fakt, dass aufgrund der eigenen Sichtweise, der subjektiven Wahrnehmung und des individuellen Erlebens und Verhaltens mentale Grenzen entstehen. Häufig hören wir, dass wir unseren „Horizont erweitern“ sollten. Bedeutet dies, dass wir unsere mentalen Grenzen in diesem Fall überwinden können? Ich sage Nein, mentale Grenzen bleiben, man kann sie lediglich verschieben. Es ist menschlich, dass niemand wirklich alle Sachverhalte auf der Erde richtig verstehen kann, das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk, trotzdem ist es anfällig und hat Grenzen. Anfällig nicht nur für gewisse Arten von Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer und Co., welche sich aktiv auf die Grenzen der Mentalität auswirken. Auch gewisse Formen von Behinderungen, wie zum Beispiel Autismus können gewisse, mentale Grenzen mit sich bringen. Diesen sollte man sich bewusst sein, dann ist es möglich, sie anzunehmen, als ein Teil des Selbst und in Frieden mit diesen Grenzen zu leben und sie zu nutzen.

Mentale Grenzen können auch durch ein gewisses, soziales Umfeld entstehen. Ein Kind zum Beispiel lernt immer erst von seinen Bezugspersonen. Es wird auf verschiedenste Art und Weise, die Ansichten derer annehmen und im Laufe seiner Entwicklung auf eigene Präferenzen anzupassen oder zu übernehmen. Wenn ein Kind also lernt, dass Menschen mit Behinderung „eklig“ oder „unnötig“ sind, so hat das Kind keine Schuld daran, dass es behinderte Menschen nicht mag oder unter Umständen einfach nur „gruselig“ findet.

Es bedeutet nicht, dass ein Mensch „dumm“, „blöd“ oder „zurückgeblieben“ ist, wenn er eine mentale Grenze hat, es bedeutet nur, dass sein „Horizont“ an einem gewissen Punkt endet. Auch diese Grenzen müssen respektiert und anerkannt werden.

Grenzen der Belastbarkeit.

Unser aktueller Anspruch an die Gesellschaft und uns selbst besteht darin so gewinnbringend und wirtschaftlich und schnell wie möglich zu arbeiten. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und sind ständigem Leistungsdruck ausgesetzt. Sei es in der Schule, im Beruf oder durch unsere Familie, Stillstand kennen wir nicht. Kein Mensch ist ein Roboter. Kein Mensch ist unendlich belastbar und niemand wird 24 Stunden am Tag Gewichte schleppen. Die Grenzen der Belastbarkeit sind genauso ernst zu nehmen, wie alle anderen, unserer persönlichen Grenzen. Zu Trainingszwecken kann man natürlich mal über seine Grenzen gehen, aber auf Dauer ist das auch nicht gesund. Daraus kann Schlimmeres entstehen, denn wenn der Körper Ruhe braucht, wird er sie sich nehmen, er findet immer einen Weg.

Meine Grenzen der Belastbarkeit sind schnell erreicht, körperliche Aktivitäten fühlen sich immer an wie 24 Stunden im Fitnessstudio. Auch mental bin ich natürlich nicht unendlich belastbar. Ich bin ein Mensch, ich denke sehr viel nach. Über Situationen des alltäglichen Lebens, wie man sie hätte verbessern, auflösen oder anpassen können, um Missverständnisse zu vermeiden, um unangenehme Begegnungen zu umgehen oder um einfach nur ein Gespräch zu führen. Es ist für mich schwierig, mich auf Neues einzulassen, neue Situationen anzunehmen und diese in meinen Alltag zu integrieren. Ich bin ein Gewohnheitstier, genauso wie es uns Menschen im Blut liegt.

Grenzen sind das natürlichste an uns Menschen. Unser Körper signalisiert uns, wenn es zu anstrengend, zu laut oder ein Glas zu viel war. Lerne deinem Körper zuzuhören. Nimm ihn ernst, wenn er sagt „es ist zu viel“ und gönn ihm eine Pause, wenn er sie braucht. Du wirst merken, dass du effizienter arbeiten kannst, entspannter bist und dich definitiv nicht mehr abends so erschöpft fühlst, dass du nach der Arbeit direkt ins Bett fällst.

Außerdem machen uns Grenzen einzigartig. Niemand hat überall dieselben Grenzen wie der andere. Unsere Individualität liegt nicht nur in unseren Fähigkeiten, sie liegt auch in dem Bereich außerhalb unserer Komfortzone.

Lasst uns hier über unsere Grenzen sprechen, lasst sie uns erleben und begreifen. Ich freue mich über eure Kommentare 🙂

2 Kommentare zu „Erkenne deine Grenzen – Nutze sie.

  1. HI du 🙂
    Du kennst mich wahrscheinlich nicht, aber heute hab ich deinen Beitrag auf meinem Blog als Link geteilt, weil ich ihn echt wertvoll finde.
    Sei ganz lieb gegrüßt
    Nicole

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    1. Cool, danke viele Grüße zurück

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