Freund oder Feind? Wie Begutachtungen durch den medizinischen Dienst erfolgreich gemeistert werden können

Bildnachweis: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de

Der medizinische Dienst (MD) wird von den Krankenkassen beauftragt, wenn es zu entscheiden gilt, ob eine Leistung bewilligt oder abgelehnt werden muss. Flattert ein Brief mit einem Begutachtungstermin ins Haus, bedeutet das für viele puren Stress. Der medizinische Dienst hat nach außen hin oftmals den Ruf, dafür verantwortlich zu sein, dass Leistungen durch die Krankenkassen abgelehnt werden. Woran liegt das und was kann getan werden, damit die Begutachtung durch den MD zum gewünschten Ziel führt?

Was macht der medizinische Dienst und warum gibt es ihn?

Der medizinische Dienst ist eine unabhängige Institution, die dafür sorgt, dass die Gelder, zum Beispiel in der Pflegeversicherung wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt werden. Das geschieht zum Beispiel durch die Überprüfung von Pflegeheimen, aber auch durch Einzelfallgutachten, zum Beispiel wenn Versicherte bei ihrer Krankenkasse außerklinische Intensivpflege oder ein teures Hilfsmittel wie einen Elektrorollstuhl beantragen. Auch für die Einstufung in den richtigen Pflegegrad wird der MD zurate gezogen.

Abgesehen davon, dass es eine unabhängige Instanz braucht, die Pflegeheime und Pflegedienste kontrolliert, braucht es oftmals auch Pflegeerfahrung oder medizinische Kenntnisse, um beurteilen zu können, ob ein Hilfsmittel, eine Behandlung oder eine Versorgungsform sinnvoll und angemessen ist. Eine, bei einer Krankenkasse beschäftigte Bürokraft kann oftmals medizinische Fachbegriffe nicht verstehen und so in Zusammenhang bringen, dass sich daraus der Bedarf für die beantragte Leistung logisch darstellt. Dieses Problem löst der medizinische Dienst, dadurch, dass medizinisches Fachpersonal (zum Beispiel Ärtzt*innen und/oder Pflegekräfte) Gutachten schreiben, die für die Sachbearbeitung die medizinische Situation verständlich aufbereiten und bei der Entscheidung über Bewilligung und Ablehnung helfen.

Der Ruf eilt ihm voraus …

Hartnäckig hält sich die allgemeine Angewohnheit, dass Menschen einen starken Hauch von Respekt, fast schon von Angst verspüren, wenn sie einen Termin zu einer Begutachtung durch den medizinischen Dienst im Briefkasten finden.

Da stellt sich mir regelmäßig die Frage: warum ist das eigentlich so?

So richtig erschließt sich mir die Problematik nicht, denn der medizinische Dienst ist seit 2021 unabhängig von den Krankenkassen (vorher hieß es auch medizinische Dienst der Krankenkasse). Diese Loslösung sollte dazu führen, dass die Gutachten unabhängiger und besser werden. Der medizinische Dienst versteht sich als neutrale Instanz zwischen Versicherungsnehmer*in und Krankenkasse. Zumindest wenn es nach diesen Gesichtspunkten geht, sollte eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst nicht automatisch zu großer Unsicherheit führen, zumindest nicht dann, wenn Leistungen beantragt wurden, die medizinisch begründbar sind.

Wie bereite ich mich auf eine Begutachtung durch den MD vor?

Je nachdem welche Leistung bei der Krankenkasse oder der Pflegekasse beantragt wurde kann sich die Vorbereitung auf den Begutachtungstermin unterschiedlich gestalten. Viele Begutachtungen werden aktuell zum Thema außerklinische Intensivpflege durchgeführt, weil die Gesetzesänderung im GKV-IPReG eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst vorsieht, wenn die Leistung beantragt wird.

Gerade bei komplexen Bedarfen, wie sie in der außerklinische Intensivpflege vorliegen, ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein. Eine gute Pflegedokumentation, die den Gutachter*innen einen Einblick in die Versorgung und die gesundheitliche Situation ermöglicht, kann hier zum Beispiel schon sehr hilfreich sein.

Wenn eine Begutachtung bezugnehmend auf einen Hilfsmittelantrag stattfinden soll, ist es nützlich, Videos von der Erprobung des Hilfsmittels zu haben (die werden meistens sogar schon vorab angefordert), außerdem kann es hilfreich sein, im Vorfeld herauszuarbeiten, wo die Nachteile mit dem aktuellen Hilfsmittel (oder ohne Hilfsmittel) sind und wie das beantragte Hilfsmittel diese Nachteile ausgleichen oder die Gesundheit verbessern kann.

Bedenke bei Rollstühlen und elektrischen Zuggeräten jedoch, dass die Krankenkasse nicht für Leistungen der Teilhabe zuständig ist. Hier sollte in der Argumentation der Fokus auf der Erschließung des Nahbereichs (Wohnung und Besuch von Arztpraxen) liegen.

Auch für die Einstufung in den richtigen Pflegegrad wird der medizinische Dienst mit einem Gutachten beauftragt. Hier ist es wichtig, dass der Fokus im Gespräch mit den Gutachter*innen destruktiv gelegt wird. Das bedeutet, dass die zentralen Inhalte des Gesprächs sich darum drehen, was nicht mehr geht. Gerade für Menschen, die eine Einschränkung/Behinderung aufgrund des Alters oder sonstigen, plötzlichen Gründen erworben haben, ist das oftmals nicht leicht. Deshalb sehen wir bei Einstufungen in den Pflegegrad oftmals zu niedrige Ergebnisse. Viel zu schnell rutscht das Gespräch doch in die Richtung, was alles noch geht. Dafür gibt es jedoch auf dem Formular, welches als Basis für das Gutachten genutzt wird, leider keine Punkte.

Die beantragte Leistung wurde nach dem Gutachten abgelehnt … Was tun?

Zuallererst gilt es, herauszufinden, warum die Leistung abgelehnt wurde. Hinweise darauf finden sich normalerweise im Ablehnungsbescheid. Wenn die dort aufgeführten Gründe nicht aufschlussreich sind oder eventuell sogar falsch, ist die Frage, ob es am Gutachten liegt oder ob die Sachbearbeitung in der Krankenkasse das Gutachten nicht beachtet oder missverstanden hat.

Um Zeit zu gewinnen, kann es ratsam sein, einen fristwahrenden Widerspruch gegen die Ablehnung, mit dem Hinweis, dass eine Begründung des Widerspruchs zeitnah folgt, einzulegen.

Jetzt geht es an die Fehlersuche. Der einfachste Schritt ist, das Gutachten bei der Krankenkasse anzufordern und dieses zu überprüfen. Sind dort medizinische Tatsachen falsch aufgefasst worden? Wurde alles, was für die Entscheidung wichtig ist, im Gutachten berücksichtigt? Sind die Sachverhalte vollständig?

Wenn ja, scheint es nicht am Gutachten zu liegen. Dann gilt es, im Widerspruch bzw. in dessen Begründung die Argumente für die Ablehnung der Leistung zu entkräften. Ein Beispiel:

Mein Rufsystem, mit welchem ich meiner Assistenz Bescheid gebe, dass ich etwas brauche, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das Beatmungsgerät Alarme hätte und diese über ein Babyphon übertragen werden könnten.

Meine Gegenargumentation war, dass mein Bedarf sich nicht ausschließlich auf die Beatmung bezieht (muss ja auch mal auf die Toilette) und ein Babyphon ist in keinster Weise geeignet und schon gar nicht zugelassen, um medizinische Bedarfe zu decken.

Sollten sich die Ablehnungsgründe aus dem Gutachten ergeben, macht es Sinn, darauf in der Widerspruchsbegründung einzugehen und genau herauszuarbeiten, wo im MD-Gutachten die Fehler sind und wie sich im Zusammenhang mit der Ablehnung der Leistung, die Fehler äußern …

Ganz wichtig ist hier jedoch zu erwähnen, dass ein Widerspruch nicht gegen das Gutachten gerichtet werden kann, sondern immer nur gegen den Bescheid, der aus dem Gutachten resultiert. Ist ein Gutachten grob fehlerhaft, zum Beispiel weil es nach Aktenlage gemacht wurde und die nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, ist es möglich, eine erneute (persönliche) Begutachtung anzufordern.

Wurde zum Beispiel ein Rollstuhl beantragt, obwohl die Person noch einige Meter gehen kann, könnte ein Fehler im Gutachten sein, dass dort drinsteht, dass der Antragsteller/die Antragstellerin gehen kann. Der Zusatz, dass nur kurze Strecken gegangen werden können, fehlt. Dies kann dazu führen, dass der Bedarf eines Rollstuhls nicht erkannt wird und auf den Antrag eine Ablehnung folgt.

Hinweis: Schon für den Widerspruch kann anwaltliche Unterstützung in Anspruch genommen werden. Die Kosten dafür werden von der Krankenkasse übernommen, wenn dem Widerspruch abgeholfen wird.

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