Manchmal frage ich mich, was Dinge denken, wenn wir sie benutzen. Vor allem dann, wenn ich sie zweckentfremde. Im folgenden Monolog berichtet der blau-gelbe Knopf in einem Berliner Bus von seinem Arbeitstag:
Hallo ihr Berliner, ihr Touristen und alle die sonst noch mit diesem Bus fahren mussten. Habt ihr euch mal gefragt, wofür ich da bin? Nein, das dachte ich mir. Wenn ihr das mal hinterfragt hättet, würdet ihr mich nicht ständig als Ablage für euren Hintern oder als Kinderspielzeug einsetzen.
Mein Name ist Blue, ich bin der ehrenwerte blau-gelbe Knopf in allen Bussen und Straßenbahnen der Berliner Verkehrsbetriebe. Ich wurde erfunden, um die Kommunikation zwischen motorisch eingeschränkten Fahrgästen und dem Busfahrer zu erleichtern. Da es bis heute nicht möglich ist, Busse so zu bauen, dass Rollstuhlfahrer und Rollatorbenutzer problemlos einsteigen können, ist es wichtig, dass der Busfahrer weiß, wann der Fahrgast aussteigen möchte. Dazu wurde ich erfunden. Ich habe also neben dem WLAN, dem Lenkrad und der Bremse den wichtigsten Job in diesem Bus. Ich ermögliche Teilhabe. Darauf bin ich auch mächtig stolz. So stolz, dass ich so gut wie nie außer Betrieb bin und auch keine Pause in meinem Arbeitstag dazwischenschiebe. Ich bin auch grundsätzlich ein sehr geduldiges Objekt, denn alle Menschen sind unterschiedlich, der eine drückt mich so stark, dass es fast schon weh tut, der Andere kann mich gerade so kitzeln. Für alle rufe ich den Fahrer.
Was ich aber nicht leiden kann ist, wenn unachtsame Fahrgäste mir ihren stinkenden Hintern ins Gesicht drücken und ich daraufhin in Dauerschleife ein Signal ins Führerhäuschen senden muss. Außerdem ist das doch auch tierisch ekelhaft oder möchtest du gerne die Hintern fremder Menschen in deinem Gesicht haben? Manchmal habe ich auch Mitleid mit den Rollstuhlfahrern, auch ihnen geht es wie mir, sehr häufig haben sie im vollen Bus die Rückansicht unachtsamer Fahrgäste mitten in ihrem Gesicht. Wenn ich mir das schon vorstelle …
Eine weitere Masche bringt mich fast noch mehr in Rage, spielende Kinder. Ich habe nichts gegen Kinder, ich habe nichts gegen spielende Kinder, solange sie mich in Ruhe lassen. Ich habe jedoch die Angewohnheit zu leuchten. So kann man mich auch im Dunkeln prima finden. Kinder finden das leider auch prima, es ist großartig, wenn sich mein Lichtsignal von Dauergrün auf kurzzeitig rot auf Dauergrün ändert. Es verleitet kleine Kinder im Kinderwagen dazu, mich als Spielzeug zu missbrauchen und den Fahrer zur Weißglut zu bringen. Er erträgt vorn in seinem Führerhaus ein Dauerfeuer aus nervigen Geräuschen, die eigentlich dazu konzipiert wurde ihm zu zeigen, wann er seine Aufgaben und Pflichten als Fahrzeugführer außerhalb seines Führerhäuschens wahrnehmen muss. Wundert sich noch jemand, wenn der Busfahrer irgendwann tierisch gereizt ist und jedes Signal meinerseits ignoriert? Resultiert nicht daraus vielleicht das weit bekannte Klischee der weitverbreiteten schlechten Laune unter Berliner Busfahrern? Statistiken darüber, wie oft ich eingesetzt werde, ohne dass ich notwendig bin gibt es sicherlich nicht. Dabei ist es so einfach, sein Kind nicht dazu zu verleiten, mich zu benutzten. Man muss den Kinderwagen ja nicht zwingend in Sichtrichtung zu mir platzieren … Es gibt durchaus drei andere Richtungen, in welche man den Kinderwagen platzieren kann, ohne dass ich vom Kind bespielt werde. Dazu muss man nicht dem Kind lautstark den Umgang mit mir verbieten, man muss es nicht in seiner Freiheit einschränken, durch das Verbot meiner Benutzung, man muss das Kind einfach nur schlau platzieren und schon kann man, egal welchen Erziehungsstil man fährt, mich vor unsachgemäßer Nutzung beschützen.
Im Endeffekt bin ich auch nur ein kleiner Knopf, der etwas größer ist als seine Kollegen und andere Farben trägt. Ich bin auch nur ein alltäglicher Gegenstand, aber trotzdem habe ich Gefühle. Achte doch bitte etwas mehr darauf, ob und wofür er mich benutzt und welchen Einflüssen ihr mich aussetzt.