Begegnungen in öffentlichen Verkehrsmitteln bringen Erschreckendes ans Licht

Dieser Artikel enthält werbeähnliche Inhalte zur Aufklärungsarbeit

Wenn man regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, trifft man mehr oder weniger freiwillig die unterschiedlichsten Leute. Vor allem Menschen mit Einschränkungen fühlen sich andere Menschen mit Einschränkungen zugehörig und sprechen Sie häufig an. Auch mir passiert das regelmäßig, egal ob ich die Schiene „konsequente Ignoranz“, „völlige Unauffälligkeit“ oder „freundlich zurücklächeln“ fahre. In 90 % der ganzen Gespräche geht es um Versorgung, Rechte oder Freizeitaktivitäten. Es ist immer wieder erschreckend, wie wenig doch die Betroffenen über ihre eigenen Rechte wissen:

Bei der Hilfsmittelversorgung fängt es an.

Erst gestern traf ich in der Tram einen Herrn. Er sprach meine Assistentin an, ob man den mit einem manuellen Rollstuhl (ohne Elektroantrieb) grundsätzlich nicht allein fahren könne. Er sehe in solchen Rollstühlen immer nur Menschen, die so eingeschränkt seien, dass sie nichts mehr selber könnten … Das besorge ihn sehr, denn der Herr, welcher mit Rollator in die Bahn kam, leide wohl an starken Schmerzen und solle einen Rollstuhl bekommen … Durch die Angst, dass er dann nichts mehr alleine könne lehnte er wohl schon jahrelang eine dementsprechende Versorgung ab. Im Allgemeinen wurde ihm wohl auch nur das „Krankenhaus-Standardmodell“ vorgeführt. Wer zum Geier möchte denn schon mit so einem Ding sein restliches Leben verbringen, geschweige denn durch Berlin fahren?

Natürlich habe ich ihm dann zu einer Beratung im Sanitätshaus geraten, außerdem erklärte ich ihm, da er von seiner schwachen Armkraft berichtete gewisse Zusatzantriebe für Aktivrollstühle. Er wusste nichts von deren Existenz, er konnte es sich auch überhaupt nicht vorstellen, Zugang zum Internet scheint er, wenn, dann nur sporadisch zu haben. Somit kann er sich auch selbst nur schwer über den aktuellen Markt informieren. Und wie soll er sich über etwas informieren, von dem er gar nicht weiß, dass es existiert?

Informationen über barrierefreie Freizeitaktivitäten sind rar.

Eine andere Begegnung in der Tram drehte sich um Freizeitaktivitäten. Die junge Dame kam gerade völlig enttäuscht aus einem öffentlichen Schwimmbad hier in Berlin. Es gebe weder eine Rollstuhlumkleide, noch einen Duschstuhl und schon gar keinen Lift ins Becken. Eigentlich meinte sie, sie brauche gar nicht all diese Hilfsmittel, ein Rollstuhl, der sie bis zum Becken bringt, würde ihr schon reichen. Sie wäre schon quer durch ganz Berlin gefahren und hätte nirgends Informationen bekommen, welche Schwimmbäder über eine barrierefreie Ausstattung verfügen. Selbst der größte Betreiber von Schwimmbädern in Berlin verfüge wohl nicht über eine entsprechende Auflistung. Auf den Webseiten findet man diese Informationen äußerst selten. Vielleicht noch bei Thermen und Wellnesseinrichtungen mit angeschlossenem Therapiebereich, aber natürlich nicht bei Schwimmbädern für Leistungsschwimmer … Als ob ein behinderter jeweils auf die Idee kommen würde Leistungsschwimmen zu betreiben …

Beim allerwichtigsten, den Rechten von Menschen mit Behinderungen sieht es am schlimmsten aus.

Äußerst erschreckend sind immer Gespräche mit Menschen, die nicht wissen, dass ihnen Unterstützung zusteht. Ich habe hier in Berlin schon viele Menschen mit Behinderungen getroffen, egal ob in der Tram, auf einer Veranstaltung oder einfach in der Stadt, einige erzählten mir, dass sie im Haushalt durch ihre Einschränkung kaum klarkommen. Sie wünschen sich inständig Unterstützung und wissen nicht, wie sie das bezahlen können. Die meisten leben von Grundsicherung, das private Vermögen fällt somit raus. Dass es aber Leistungen wie den Entlastungsbetrag, das persönliche Budget oder die Verhinderungspflege/Kurzzeitpflege gibt, ist Ihnen nur sehr selten bekannt. Meines Wissens sind die Krankenkassen dazu angehalten, wenn ein Pflegegrad festgestellt wird über die entsprechenden Leistungen aufzuklären. Es scheint, als ob dies nur unzureichend geschieht.

In solchen Fällen ist es wichtig, dass jeder Mensch mit Einschränkung weiß, dass es die Teilhabeberatung gibt. Die Teilhabeberatung ist eine unabhängige Anlaufstelle, welche beratend und unterstützend zur Seite stehen kann, wenn das Wissen über die eigenen Rechte und Möglichkeiten fehlt.

Dies waren nur drei Beispiele von Gesprächen, die hier fast täglich geführt werden. Ich bin mir sicher, dass Berlin nicht die einzige Stadt in Deutschland ist, in welcher derartiger Aufklärungsbedarf besteht. Wir leben in einer sozialen Gesellschaft, warum geht dieser Gedanke nur von den Bürgern aus, warum beraten nicht die Krankenkassen mit allem, was den Pflegebedürftigen zusteht? Warum tun die Ämter und Behörden genau dasselbe? Ist es nicht langsam Zeit, den Gedanken der Wirtschaftlichkeit beiseitezuschieben und den Menschen hinter der Erkrankung zu sehen?

Weiterführende Links:

www.Teilhabeberatung.de

1 Kommentar zu „Begegnungen in öffentlichen Verkehrsmitteln bringen Erschreckendes ans Licht

  1. Ich werde in den öffentlichen Verkehrsmitteln meist nur von Nichtbehinderten angesprochen, die direkt sehr persönliche und zum Teil auch sehr intime Fragen stellen.
    Was die Zugänglichkeit von öffentlichen Bädern in Berlin angeht, ist es allerdings so, dass auf der Seite der Berliner Bäderbetriebe ausführliche Informationen zu der barrierefreien Ausstattung zu finden sind. Leider gibt es nur wenig Bäder, die barrierefrei ausgestattet sind, aber dies kann man auf der Internetseite nachlesen. Und gerade für Leistungsschwimmer bietet sich die Schwimmhalle in der Landsberger Allee an, in der regelmäßig auch paralympische Wettbewerbe stattfinden

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